von Joshua Am 26. Juli 2020
Blickwinkel

Was ist Gestalttherapie?

Die Gestalttherapie ist ein humanistisch-existenzielles Psychotherapieverfahren und wurde Ende der 1940er Jahre von Fritz Perls, Laura Perls und Paul Goodman entwickel. Im Wesentlichen geht es darum Menschen in ihrem persönlichem Wachstum optimal zu fördern unabhängig davon ob psychische Störungen vorliegen oder nicht. Die moderne Gestalttherapie fördert persönliche Verantwortung, die Fähigkeit sich selbst zu unterstützen, und mehr Bewusstheit im Hier-und-jetzt zu erlangen. Zudem ist der therapeutische Dialog zwischen Therapeut*in und Klient*in wesentliches Instrument für die Gestalttherapie, da gerade dadurch Wunden aus schwierigen und oft auch schädigenden Beziehungen heilen können.

In diesem Text gehe ich näher auf die Gestalttherapie ein, mit einem Fokus auf dem Ausdehnen von Bewusstheit im Hier-und-jetzt, dem therapeutischen Dialog, persönlicher Verantwortung und Selbstunterstützung, und wie diese zur persönlichen Entwicklung und Heilung beitragen.

Zu lernen heißt, zu entdecken, dass etwas möglich ist.

Fritz Perls

Das Wesen der Gestalttherapie

Im Kern integriert die Gestalttherapie ganzheitlich Körper, Seele und Geist und ermutigt Klienten, ihre Gefühle und Gedanken im gegenwärtigen Moment aktiv zu erleben und auszudrücken. Anders als traditionelle psychoanalytische Ansätze, die sich auf vergangene Erfahrungen konzentrieren, fokussiert die Gestalttherapie auf das Hier-und-jetzt und glaubt, dass erweiterte Bewusstheit über sich selbst der Schlüssel zur Überwindung von Schwierigkeiten und zur Erreichung persönlichen Wachstums ist. Dieser Ansatz fördert eine Umgebung, in der Klienten lernen, sich ihrer Handlungen, deren Ausführung und möglicher Veränderungen bewusst zu werden, während sie gleichzeitig lernen, sich selbst zu akzeptieren und wertzuschätzen.

Gestalttherapie ist Lernen in Beziehung.

J.S. Simkin

Bewusstheit in der Gestalttherapie

Bewusstheit ist der Eckpfeiler der Gestalttherapie. Es geht nicht nur um das Verstehen seiner selbst, sondern um ein momentanes Sich-selbst-bewusst-werden mit seinen unmittelbaren Gedanken, Gefühlen, Verhaltensweisen und Umgebungskontexten. Um Gelegenheiten für dieses Sich-selbst-bewusst-werden zu schaffen wird erlebnisorientiert gearbeitet. Zugleich dienen Gestalttherapeut*innen als Spiegel. Mit zunehmender Bewusstheit beginnen Klienten, ihre Muster zu erkennen und wie diese Muster zu ihren aktuellen Lebensherausforderungen beitragen können. Die Akzeptanz des Bewusst-gewordenen ist der erste Schritt zur Veränderung und ermächtigt Individuen, voller und authentischer zu leben.

Don’t push the river. It flows by itself.

Barry Stevens

Die Rolle des Dialogs in der Gestalttherapie

Dialog, im Kontext der Gestalttherapie, geht über einfache Konversation hinaus. Dialog ist eine tiefgreifende Interaktion zwischen Gestalttherapeutinnen und ihren Klientinnen, gekennzeichnet durch Authentizität, Transparenz und gegenseitigen Respekt. Die Rolle der Gestalttherapeutinnen ist es, nicht zu interpretieren oder zu lenken, sondern den Klienten auf ihrer Reise der Selbstentdeckung zu begleiten, Unterstützung und Feedback anzubieten, welche Bewusstheit und Selbsterkenntnis fördern. Dieser dialogische Prozess ist dynamisch, kreativ und ästhetisch, und ermöglicht das Entstehen neuer Verständnisse und Perspektiven. Zudem lernen Klientinnen durch diese Form der therapeutischen Beziehung, sich selbst in einer transparenten und wohlwollenden Beziehung zu erleben. Klient*innen lernen ihre Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen und effektiver zu artikulieren und können so auch ihre Beziehungen zu anderen und zu sich selbst verbessern.

Kümmere dich um das, was da ist, und nicht um das, was nicht da ist.

Claudio Naranjo

Verantwortung und Selbstunterstützung in der Gestalttherapie

Verantwortung ist ein zentrales Thema in der Gestalttherapie. Es bezieht sich auf die Fähigkeit des Einzelnen, die volle Verantwortung für die eigene Erfahrung in der Welt zu übernehmen, einschließlich seiner Gedanken, Gefühle, Handlungen und Konsequenzen. Diese Betonung der persönlichen Verantwortung ermutigt Klienten, von einer Position der Schuld oder Opferrolle zu einer Position der Selbstunterstützung und Ermächtigung zu wechseln. Indem sie erkennen, dass sie eine Wahl haben, wie sie auf ihre Umstände reagieren, und Entscheidungen treffen können, lernen Klientinnen, eine aktivere Rolle bei der Gestaltung ihres Lebens zu übernehmen. Gestalttherapeutinnen unterstützen Klient*innen dabei, Wahlmöglichkeiten zu explorieren und mit neuen Verhaltensweisen zu experimentieren, was ein Gefühl von Handlungsfähigkeit und Selbstständigkeit fördert. Gerade die Möglichkeit in der therapeutischen Beziehungen als sicheren Rahmen zu experimentieren zeichnet unter anderen die Gestalttherapie aus.

Mit seinen Emotionen auf Tuchfühlung zu gehen und zu lernen, sie zu umarmen, ist heilend.

Fritz Perls

Zusammenfassung

Die moderne Gestalttherapie, mit ihrem Fokus auf Selbst-bewusst-werdung, Dialog und Verantwortung, bietet ein mächtige Instrumente zur Anerkennung und Heilung menschlichen Leidens und zur Förderung menschlichen Wachstums. Indem sie den gegenwärtigen Moment, authentisches In-Beziehung-treten und persönliche Verantwortlichkeit betont, ermöglicht sie persönliches Wachstum und tiefgreifende, anhaltende Veränderung. Während wir weiterhin die Komplexität der modernen Welt navigieren, bleiben die Prinzipien der Gestalttherapie so relevant wie eh und je und leiten Individuen zu mehr Bewusstheit, gesünderen Beziehungen und einem erfüllteren Leben.

Veränderung geschieht, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn er versucht, etwas zu werden, das er nicht ist.

Arnold Beisser
Letzte Änderung am 10. März 2024 ◀ Zurück

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